Samstag, 18. Mai 2013

ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN – So ticken die anderen!

Die Welt ist durch die Globalisierung zwar kleiner geworden, aber unterschiedliche Geschäftskulturen verschwinden nicht einfach von heute auf morgen. Vor allem im beruflichen Umfeld ist ein gewinnendes Auftreten der Garant für Erfolg. Angemessenes Benehmen schafft Vertrauen und fördert ein positives Arbeitsklima. Viele Unternehmen stehen aber aufgrund fortschreitender Globalisierung und neuer Kommunikationswege vor der Frage, welche Umgangsformen im jeweiligen kulturellen Kontext zeitgemäß sind. 


Im Gespräch mit Franziska von Malaisé, von der Akademie für Umgangsformen ‚behave’ in Berlin.

In vielen Ländern werden die Deutschen immer noch für ihre Qualität und Zuverlässigkeit geschätzt.
 
FvM: Deutsche Werte und Gepflogenheiten lassen sich nicht einfach auf fremde Kulturen übertragen. Ein Deutscher „kommt zur Sache“ und „bleibt bei der Sache“. Diese Direktheit kann von manchen Ausländern wiederum als unhöflich aufgefasst werden, denn sie trennen nicht zwischen Persönlichkeit und beruflicher Rolle. Dazu kommt die Vielzahl von deutschen Regeln, Vorschriften und Verordnungen, deren strikte Einhaltung beziehungsweise Bestrafung bei Regelverletzungen, die als merkwürdig und inflexibel interpretiert wird. Dafür gibt es gute Gründe: Wir sind geprägt von unserer Handwerkerkultur und den strengen Vorschriften der Zünfte. Die deutsche Detailversessenheit und Regelwut ist sprichwörtlich. Auf der anderen Seite kommen manche deutschen Tugenden in der Geschäftswelt gut an. Die Deutsche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wird sehr geschätzt.
 

Beziehungen müssen gepflegt werden um erfolgreich neue Märkte zu öffnen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen bilden die Voraussetzung für eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Dabei geht es nicht nur um das Kennenlernen weit entfernter Kulturen in Amerika, Afrika oder Asien. Auch im europäischen Ausland gibt es Unterschiede in den Gepflogenheiten, die im Geschäftsleben eine bedeutende Rolle spielen und wegen der Nähe zu den entsprechenden Ländern häufig „übersehen" werden.
 
 
FvM: Jede Geschäftskultur ist durch ihre Geschichte und ihre Tradition geprägt. Was für das Inlandsgeschäft als selbstverständlich gilt, wird im – auch nahegelegenen - Ausland unter Umständen als gänzlich unverständlich, unhöflich oder gar beleidigend betrachtet.
 Respekt, Wertschätzung und das Wissen um alltägliche Gepflogenheiten sind unerlässlich, für eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf internationalem Parkett.
 

Das Wissen über kulturelle Unterschiede, gesellschaftliche Entwicklungen und Tabus können Wirtschaftsbeziehungen folglich nur bereichern. Was kann dazu gelernt werden, um die Menge der Fallen und Pannen merklich zu reduzieren? 
 
FvM: Gerade die alltäglichen Gepflogenheiten und Verhaltensweisen machen sichtbar, wie ernst es der Partner meint mit Respekt, Anerkennung und Wertschätzung des Kollegen aus einem anderen Kulturraum. Es hilft, diese zu kennen, damit Missverständnisse auf beiden Seiten gar nicht erst entstehen.

Doch setzen viele Unternehmen zu sehr auf spezielle Produktschulungen oder Vertriebstrainings und halten das Lernen von entsprechenden Soft Skills für weniger bedeutsam. Hier aber schafft interkulturelle Kompetenz deutlich Wettbewerbsvorteile.
 

In der heutigen Welt gehört zur Geschäftskleidung der Anzug mit Krawatte für den Herrn und der Anzug/das Kostüm für die Dame dazu. Aber auch hier gibt es Unterschiede.
 Welche kulturellen Regeln gilt es diesbezüglich zu beachten?

FvM: Der erster Eindruck setzt sich, psychologischen Studien zufolge, zu 55 % aus Kleidung und Körpersprache zusammen, 38 % macht die Stimme aus und nur 7 % das, was gesagt wird. In den USA sind bei Businessfrauen nackte Beine verpönt. In arabischen Kulturkreisen sollten die Arme bedeckt sein. Italien ist sehr modebewusst und achtet gern auf modische Accessoires. In den Niederlanden erweckt das Tragen von Designerkleidung sehr schnell den Eindruck angeberisch zu sein. Selbst Manager bemühen sich hier „normal“ zu erscheinen, und verzichten auf auffällige Attribute oder Statussymbole. Eine Unternehmensberaterin, die sowohl Kunden in den Niederlanden als auch in Deutschland betreute, berichtete daher, dass sie beim Besuch eines niederländischen Unternehmens lieber leger auftritt. Ein Pulli zur Business-Hose ist vollkommen ausreichend. Wenn sie allerdings am selben Tag noch ein deutsches Unternehmen besucht, zieht sie selbstverständlich einen Blazer über.

Im europäischen bzw. westlichen Kulturkreis beginnt eine Begrüßung mit dem Schütteln der Hände. Welche interkulturellen Unterschiede können uns hier begegnen?

FvM: Auch hier kann es die eine oder andere Variante, jemanden willkommen zu heißen, geben, die man in der deutschen Geschäftswelt nicht kennt. In den Niederlanden stellt man sich mit Vor- und Nachnamen vor. Für uns sehr schnell wird dort dann auf das „Du“ in der Anrede und auf die Nennung des Vornamens umgeschwenkt. Mit diesem Duzen geht aber nicht unbedingt eine freundschaftliche Beziehung einher. Auf die Nennung von akademischen Titeln sollte man bei der Bekanntmachung in den Niederlanden verzichten. Sie legen wenig Wert auf Äußerlichkeiten und es rangiert bei ihnen der Gedanke, im Grunde seien alle Menschen gleich. Titel und Abschlüsse sollten jedoch auf der Visitenkarte stehen. In Ungarn, Tschechien, Österreich oder Italien hingegen spielt die Anrede mit Titeln eine große Rolle. So ist keineswegs eine Seltenheit oder übertrieben, den Ingenieur Meier auch mit „Herr Ingenieur Meier“ anzusprechen. Würde man die betreffende Person nur mit dem Nachnamen ansprechen, so kann dies schnell als Beleidigung aufgefasst werden.
Im asiatischen Raum erfolgt eine Begrüßung mit einer tiefen Verbeugung, was den Respekt zum Gegenüber verdeutlicht. Die erste Begrüßung gilt dabei immer dem Ranghöchsten einer Gruppe oder einer Delegation. Bei der Übergabe von Visitenkarten sollte man stets darauf achten, diese mit beiden Händen zu überreichen beziehungsweise entgegenzunehmen. 


Es heißt bei Geschäftsverhandlungen gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Ausrichtungen. Entweder steht erstmal das Kennenlernen der Partner im Vordergrund oder der Geschäftsabschluss an sich und man kommt schnell zur Sache.

FvM: In Deutschland will man schnell zur Geschäftlichen kommen und preist die Vorzüge des Produktes an. Dies ist auch in den USA oder den Niederlanden die allgemeine Geschäftskultur. Ein Vertragsabschluss beim ersten Treffen wäre keine Seltenheit. Auch der niederländische Geschäftspartner schätzt - nach dem ersten Kennenlernen - die direkte und geradlinige Ausdrucksweise und gelangt sehr schnell zum Kern der Sache.
In vielen anderen Ländern ist die Qualität des Produktes jedoch weniger ausschlaggebend als der menschliche Eindruck. Der vertrauenswürdige Auftritt der Geschäftspartner bildet vielfach die eigentliche Basis für gute internationale Geschäftsbeziehungen.
In solchen Kulturen wird, um sich kennenzulernen, viel Wert auf Small Talk gelegt. Dazu eignen sich Gespräche über Essen, Kultur, Reisen, Sport, Familie und Hobbys. Es ist auch nicht verkehrt, die kulturellen oder landschaftlichen Schönheiten des jeweiligen Landes zu loben. Die Komplimente sollen dazu dienen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Das eigentliche Thema wird oft erst zu einem späteren Zeitpunkt angesprochen – manchmal sogar bis zu einem weiteren Treffen aufgespart. Hier sind Geduld und Ausdauer gefragt.
Geduld ist auch gerade bei deutschen Geschäftspartnern gefordert, wenn während der Verhandlung für längere Zeit geschwiegen wird. Im asiatischen oder arabischen Kulturkreis gehört das Schweigen zur Kultur des Verhandelns. In diesen Kulturkreisen bedeutet das Schweigen Zeit zum Nachzudenken und ist Ausdruck von Wertschätzung. Daher sind schnelle Verhandlungsabschlüsse in solchen Kulturen unrealistisch. 


Deutsche oder andere Europäer sind dies nicht gewohnt und werden dann sehr schnell nervös. Wie sollte man sich hier am besten verhalten?

FvM: Ein wichtiger Aspekt bei Verhandlungsgesprächen ist der Umstand, wie hierarchisch die Unternehmenskultur im Land ausgeprägt ist. In den Niederlanden sind die Hierarchien deutlich flacher als in Deutschland. Oft dauert der anstehende Entscheidungsprozess daher meist länger und erscheint unstrukturiert, da jeder, der mit der Entscheidung in Berührung kommt, seine Meinung äußern darf.
Im Gegensatz dazu sind britische Unternehmen eher hierarchisch aufgebaut. Ein Mitarbeiter wird seinem Vorgesetzten nicht öffentlich widersprechen. In Deutschland ist man gewohnt, „die Dinge beim Namen zu nennen“ – auch wenn man Kritik übt. Dies wird in einigen Ländern jedoch als sehr unhöflich empfunden, z.B. in Japan, wo eine öffentliche Kritik zum „Gesichtsverlust“ führt. Auch in europäischen Ländern wie Ungarn oder Großbritannien wird beim Umgang mit Kritik eine indirekte Kommunikationsform gewählt: Man umschreibt sie, um niemanden zu brüskieren und den höflichen Umgangston zu wahren.
 

Die Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, sich mit interkulturellen Gegebenheiten vertraut zu machen. International tätige Unternehmen sollten regelmäßig die interkulturelle Kompetenz ihrer Mitarbeiter schulen. Franziska von Malaise hat gerade dazu ein Buch geschrieben, dass wir hier nur jedem empfehlen können.


Behave! 
von Franziska von Malaisé* 
Gebundenes Buch, Pappband, 144 Seiten, 10,0 x 15,5 cm
ISBN: 978-3-424-35073-9
€ 10,00 [D] | € 10,30 [A] | CHF 14,90* (* empf. VK-Preis)
Verlag: Diederichs

Auch verfügbar als eBook zu EUR 8,99  
* Franziska von Malaisé studierte Kunstgeschichte in München und Public Relations in Berlin. Als ausgebildete Trainerin und Moderatorin realisiert sie Kommunikations-Workshops und ist Mitbegründerin und Leiterin der Behave Akademie für internationale Umgangsformen. Die Autorin lebt in Berlin.

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